Schon vor Jahrhunderten haben einige Autoren in ihren veröffentlichten Sprichwörtersammlungen vermeintlich derbe, obszöne oder diskriminierende Sprichwörter oder Ausdrücke durch Selbstzensur weggelassen oder nur mit Punkten angedeutet. 1864 wurde sogar wegen „Erregung eines öffentlichen Ärgernisses durch Verletzung der Schamhaftigkeit“ Anklage gegen Hermann Frischbier (1823 - 1891) und sein Buch „Preußische Sprichwörter und volksthümliche Redensarten“ erhoben.
Ebenso fragt seit Kurzem die neuste Textverarbeitung mit der Rechtschreibprüfung des Duden bei einigen Worten: „Derben/diskriminierenden Ausdruck ersetzen?“ Dabei wurde wahrscheinlich vergessen, dass die Ausdrücke in Sprichwörtern und anderen normalen Veröffentlichungen (Bücher, Zeitungen, Zeitschriften) bei Weitem nicht an die heute üblichen Ausdrücke, Beleidigungen, Beschimpfungen, Drohungen und anderem in den angeblich „sozialen Netzwerken“ im Internet herankommen. Nach den Kriterien, die mancherorts gefordert werden, müssten alle diese sogenannte „sozialen Netzwerke“ sofort verboten werden.
Das Verfahren gegen Herman Frischbier endete in 1. und 2. Instanz mit einem Freispruch. Im Vorwort seiner Sammlung schrieb Frischbier:
„Völlig bei Seite gelegt sind nur die absolut obszönen Sprichwörter und Redensarten. Wenn trotzdem die Sprache mehrfach eine ungemildert eindringliche und kräftige ist, so wolle man nicht vergessen, dass sie meist dem gemeinen Manne angehört, der selbst in Euphemismen derbe ist und Handschuhe außer im Winter nicht leiden mag. Auch hat man auf wissenschaftlichem Gebiete die Zimperlichkeit völlig abzulegen und darf sich nicht scheuen, jedes Ding mit seinem üblichen Namen zu nennen und nennen zu hören. Übrigens nehme ich Jakob Grimm's hierher gehöriges Wort auch für mich in Anspruch: „Wer an nackten Bildsäulen ein Ärgernis nimmt, oder an den nichts auslassenden Wachspräparaten der Anatomie, gehe auch in diesem Saal den missfälligen Wörtern vorüber."
Preußische Sprichwörter, 2. Ausgabe 1865, Seite 320, Aus dem Gutachten von Dr. Karl Rosenkranz, Rat 1. Klasse und ordentlicher Professor an der königlichen Universität zu Königsberg:
„Herr Lehrer H. Frischbier hat mir seine Sammlung „Preußischer Sprichwörter und volkstümlicher Redensarten", Königsberg 1864, mit der Anfrage vorgelegt, ob ich in derselben etwas Anstößiges fände?
Sprichwörter erfindet man nicht, sondern man findet sie. Der Sammler verhält sich zu gegebenen Tatsachen, welche für eine Provinz, für einen Stand, für ein Volk charakteristisch sind. Unter den Sprichwörtern aller Völker, wie man sich aus Eiseleins großer Sammlung, 1840, überzeugen kann, kommen auch viele zynische vor. Manchmal sind dieselben wirklich ekelhaft, oft aber sind sie auch komisch. Was soll nun der Sammler tun? Soll er sie ignorieren? Soll er sie unterdrücken? Hat er ein Recht dazu? Gewiss nicht, so wenig ein Philologe, der den Aristophanes oder Horaz oder Martial herausgeben will, ein Recht hätte, die kolossalen Zynismen derselben auszumerzen.“
Preußische Sprichwörter, 2. Ausgabe 1865, Seite 321: Aus dem Gutachten von Dr. Oskar Schade, ordentlicher Professor an der königlichen Universität zu Königsberg:
„Es ist eine bekannte Tatsache, dass das Volk in vielen seiner poetischen Erzeugnisse, ganz besonders in seinen Sprichwörtern, sich einer Auffassung und Sprache bedient, die von der der heutigen Gebildeten und als gebildet gelten wollenden Gesellschaft mannigfach abweicht, ja bisweilen die Grenze der guten Sitte überhaupt zu überschreiten scheint. Eine Sammlung aber solcher volkstümlichen Erzeugnisse, darf, wenn sie überhaupt einen Anspruch auf Wert machen soll, sich an solche vermeintliche oder wirkliche Anstöße nicht kehren, sonst würde sie das treue Bild des Volks, das sie aufzustellen sich bestreben soll, verändern, und an seine Stelle vielleicht ein reineres, freilich aber ein gefälschtes und für die wahre Erkenntnis unbrauchbareres setzen.“
Die vollständigen Gutachten zur Sprichwörtersammlung von Frischbier sind in der 2. Ausgabe von 1865 ab Seite 312 nachzulesen:
https://books.google.de/books . . =Frischbier,+Gutachten+ . . /
Auf dieser Seite sind mehrere Hundert, die allermeisten ohne derbe oder diskriminierende Ausdrücke, deutsche Sprichwörter mit H, von Heb bis Hexe am Anfang und auf weiteren über 80 Seiten alle anderen von A bis Z, alte und neuere in heutiger Rechtschreibung vorhanden. Wenn hier noch besondere, wichtige, neue oder häufige Sprichwörter aus Deutschland fehlen sollten, bitte eine Nachricht mit Quellenangabe/Fundort an die E-Mail Adresse auf der Seite Kontakt.
Heillose Leute haben allzeit mehr Geld als rechtschaffene.
Heillose Leute haben allezeit mehr Glück als andre Leute.
(Die obere Version steht 1612 im 3. Band von der Sammlung von Janus Gruterus auf Seite 47. Die untere Version findet man schon 1605 bei Petri, von der Gruter wahrscheinlich etwas ungenau abschrieb.)
Heillose Leute machen auch Löcher in andrer Häute.
Heimat mein, was kann besser sein?
Heimlich, das ist der Hunde Art.
Heimliche Dinge soll man nicht einem jeden anvertrauen, noch viel weniger Fremden.
Heimliche Ehe tut selten gut, sie stecken manchen in Armut.
Heimliche Feinde sind die schädlichsten.
Heimlichen Rat soll man verschwiegenen Freunden vertrauen.
Heimlicher Druck ist unerträglich.
Heimliche Wunden bluten auch.
Heimlich jemand im Rücken Schmähen, ist nichts, denn Unglück auf ihn säen.
Heimlichkeit lässt sich nicht leicht verschweigen.
Heimlich Verlöbnis stiftet keine Ehe.
Heim und Herd sind Goldes Wert.
Heirat der Alten ist ein Ladschreiben an den Totengräber.
Heiraten geraten nicht allzeit.
Heiraten in Eile bereut man mit Weile.
Heiraten ist gut. Aber nicht heiraten ist besser.
Heiraten ist kein (nicht) Bauerndienst.
Heiraten ist nicht Kappentauschen.
Heiraten ist leicht, Haushalten schwer.
Heiraten ist Lotterie.
Heiraten ist wohlgetan, wenn man's recht fängt an, ein jeder sich bedenke, ehe er gibt treu und Geschenke.
Heirate über den Mist, so weißt du, wer sie ist.
Heirat ins Blut tut selten gut.
Heirat ist ein verdeckt Essen.
Heirat macht mündig.
Heiße Bitte, kalter Dank.
Heißer Sommer, guter Wein.
Heiße Sommer und kalte Winter bringen keine böse Zeit.
(Im Prinzip ja, aber durch den Klimawandel sind die heißen und trocknen Sommer schon die böse Zeit.)
Heiße Suppen muss man blasen.
Heiß nicht Meister, du seist denn Meister.
Heißt man dich auch noch so gern willkommen, so musst du doch beizeiten „Auf Wiedersehen“ sagen.
Heiterem Himmel und lachenden Herren ist nicht zu trauen.
Klarem Himmel und lachendem Herren ist nicht zu trauen.
Klarem Himmel und lachendem Herrn soll niemand trauen.
Helden sind Gottes Gabe.
Helf Gott! bricht keinem den Sack.
Heller*17, steh auf, lass den Gulden*13 niedersitzen.
Heller*17, steh auf und lass den Pfennig niedersitzen.
Heller*17, lass den Pfennig sitzen.
Hennen, die viel gackern, legen wenig Eier.
Herren kündigen wohl einen Feiertag und lassen feiern, wer will.
(Heute gilt dieses Sprichwort ebenso wie früher. Früher wurden die Feiertage von der Kirche festgesetzt und das Volk war verpflichtet, sie nach deren Vorschrift zu begehen. Heute sind die Herren der Staat und Arbeitgeber, welche die Feiertage festsetzen. Geändert hat sich lediglich die Verpflichtung der Menschen, diese Feiertage nach den Vorschriften zu begehen. Jeder kann feiern, wie er will, oder bleiben lassen. Geändert hat sich auch die Einstellung vieler Menschen, die die Feiertage mit Freizeit verwechsel und auf ihr vermeintliches Recht auf diese Freizeit bestehen. Etliche übertreiben es und bestehen auf Spaß haben und Freizeit und übersehen die Notwendigkeit der Arbeit, mit der man erst die Voraussetzungen dafür schaffen muss.)
Herren lohnen oft ihrem treuen Gesinde, wie die Welt pflegt zu lohnen.
(Bei diesem alten Sprichwor fählt mir spontan ein anderes ein: Undank ist der Welt Lohn.)
Herren, Richter, Pfaff und Bader verderben keinen Zank noch Hader*14.
(Das bedeutet, dass die genannten Personengruppen so viel Hader und Zank mit anderen haben können, wie sie wollen, trotzdem verderben sie nicht. Andere verderben oft schon bei einem kleinen Zank oder Hader.)
Herren setzen Eide ab, die sie nicht halten wollen.
(Bei diesem alten Sprichwort fällt mir spontan der russische Präsident ein. Wie soll man ihm vertrauen oder Verträge mit ihm schließen, da er doch vor aller Welt alle Verträge und russische Garantien gegenüber der Ukraine gebrochen hat? Auch zukünftig wird er keinen Friedensvertrag halten, der ein Stück selbstständige Ukraine übrig lässt.)
Herren sind Herren und haben Herrensinne, die muss man ihnen lassen.
Herren sind und bleiben Herren, die Stätte müssen dem Pfeiffer lohnen.
Herren sollen geschäftig sein.
(Zweimal dasselbe Sprichwort? Eigentlich ist beides richtig, doch es besteht ein kleiner entschiedener Unterschied: Die obere Version steht so 1605 bei Petri und 1616 bei Henisch. Die untere Version steht erst ab 1810 bei Michel Sailer, von dem andere Sprichwörtersammler im 19. Jahrhundert abschrieben.
Die obere Version mit dem Wort „dass“ kann bedeuten, dass man gestern meinte, etwas zu wissen, was sich heute als falsch herausstellt und gestern zu falschen Entscheidungen führte. Etliche versuchen dann, die eigene Verantwortung mit „das hab ich nicht gewusst“ auf andere abzuwälzen. Die Untere Version mit dem Wort „was“ bedeutet, das man heute zusätzliche Informationen erhält, die man gestern nicht kannte.
Das bedeutet auf heute bezogen, wer heute rechtsradikale oder extremistische Parteien wählt kann sich nicht damit herausreden, das hab ich nicht gewusst. Die radikalen, extremistische und ausländerfeindlichen Ansichten sind solcher Parteien sind allgemein bekannt. Deren Wahl zeigt nur die eigene Gedankenlosigkeit, wenn man auf offensichtliche und falsche Propaganda hereinfällt. 12 Jahre rechtsradikale Regierung in der Vergangenheit sind mehr als genug.)